Die Schlacht von Gallipoli 1915
Die deutsche Beteiligung
Marine-Landungsabteilung
Die Flotte leistete personelle und materielle Unterstützung bei den Kämpfen auf Gallipoli. So hatte Admiral von Usedom einen Mangel an Maschinengewehren an der Front an den Flottenchef herangetragen, wie Admiral Souchon im Kriegstagebuch der MMD am 30. April vermerkte: „Feindliche Landungstruppen bei Kabatepe unternahmen im Laufe des Tages Angriffe auf türkische Stellungen ohne Erfolg. ‚Barbaros’ unterstützt Armee durch indirektes Schießen. Bei der V. Armee fehlt es unglaublich, wie Usedom meldet, an Maschinengewehren. Ich gebe von den Schiffen der Flotte ab, was sich irgend abgeben lässt.“[i] Von der GOEBEN und BRESLAU wurden Offiziere und Mannschaften gestellt, die am 2. Mai unter Führung von Oberleutnant z. S. Boltz mit 44 Mann und acht Maschinengewehren von Istanbul zu den Dardanellen abmarschierten[ii]. Diese Truppe fusionierte später mit dem bereits vor Ort befindlichen Beobachtern für das indirekte Schießen zur sogenannten „Landungsabteilung“, deren Führung Boltz übernahm. Fast alle der Offiziere und Mannschaften hatte eine infanteristische Ausbildung, da sie als Marineinfanterie-Kompanie von der 1. und 2. Matrosendivision in Kiel und Wilhelmshaven gestellt worden waren und bereits als solche 1913 in Pola auf der BRESLAU eingeschifft worden waren. Die Aufgaben der Marineinfanterie war schon damals der Kampf zu Lande, ebenso wie Wach- und Geschützdienst. Aus diesem Grunde verfügte die MMD auch über eine Anzahl schwerer Maschinengewehre, an denen die Matrosen gut ausgebildet waren.
Insgesamt dürften auch mit dem geleisteten Personalersatz mindestens 300 deutsche Marinesoldaten in dieser Einheit eingesetzt worden sein. Allein die Gliederung sah im Oktober 1915 einen Personalbedarf von 210 Mann vor.
Es sind relativ umfassende Berichte aus dem Einsatz der Marine-Landungsabteilung erhalten, die anschliessend wörtlich zitiert werden.
Der Einsatz begann im Mai 1915. Als das Detachement am 3. Mai nachmittags bei Gallipoli eintraf, erhielt es sofort den Befehl, sich bei der Südgruppe zu melden. Oberleutnant z.S. Boltz schrieb darüber: „Am 3.5. 3 Uhr nachm. traf mein Detachement in Kilia ein, und hier erhielt ich Befehl, beschleunigt zur Südgruppe zu marschieren, um mich dort bei Oberst von Sodenstern zu melden. In der Eile hatte man nicht Zeit gefunden, meine Matrosen, die noch deutsche Uniformen trugen, türkisch einzukleiden, wir wurden daher bei Anbruch der Dunkelheit verschiedenlich angehalten. Erst 11 Uhr abends konnte ich mich in Ali-Bey Tschiflik beim Führer der Südgruppe melden, und Oberst von Sodenstern erteilte mir den Befehl, 4 Maschinengewehre über Kirte in Richtung auf Sid-ul-Bachr zu entsenden. Die vier anderen Gewehre sollten im Kerewis-Dere eingesetzt werden. Ich übernahm die Führung der letzteren, den Befehl über die nach Sid-ul-Bachr entsandten Gewehre dem Obermaaten Schubert übertragend. Schon beim Anmarsch hatten wir den Donner der Schiffsgeschütze sowie lebhaftes Infanteriefeuer gehört. Der Weg zum Kerewis-Dere aber lag fortgesetzt unter dem schwersten Feuer der Artillerie der feindlichen Flotte, das Tal selbst war voll von Truppen, Munitionswagen und Packtieren, die Kisten mit Infanteriemunition trugen. Allenthalben boten zerschossene Wagen und gefallene Tiere ein Hindernis, das da, wo der Weg tief in den Felsen einschneidet, nur mit Mühe zu beseitigen war. Trotzdem marschierten die Truppen lautlos, in musterhafter Ordnung nach vorne. Kurz vor dem Eintreffen auf dem Schlachtfelde stieß die nach Sidul-Bachr entsandte Abteilung wieder zu mir, es war ihr nicht möglich gewesen, dort durchzukommen. [...] Im Begriff, meine Gewehre in Stellung zu bringen, trat plötzlich ein unerwartetes Ereignis ein. Eine aus dem Seitental vorgehende Kompagnie eines arbischen Regimentes, nur von einem Tschausch [Unteroffizier] geführt, hatte meine Leute bemerkt und in der Annahme, Engländer vor sich zu haben, umstellt. Die Uniform der deutschen Marine war den Leuten unbekannt, eine Verständigung bei meiner geringen Kenntnis der türkischen Sprache war schwierig, zumal es sich um Araber handelte. Als ich drohte, mich mit Waffengewalt zu befreien, trat mir der Tschausch mit vorgehaltener Waffe entgegen. Ich hob den Browning – ein kritischer Moment, der durch Dazwischentreten des Generalstabsoffiziers der Südgruppe, Major Mühlmann, der den Leuten schnell begreiflich machte, daß wir Deutsche seien, seine Lösung fand.“[iii] Mühlmann schildert diesen Vorfallwie folgt: „Oben auf der Höhe, etwas weiter, wo wir vor 2 Stunden mit Sodenstern gesessen hatten, angekommen, wurde ich von türkischen Infanteristen angehalten, die mir aufgeregt mitteilten, sie hatten englische Masch.Gew. gefangen. Wer beschreibt mein Erstaunen aber auch Ärger, als ich in den sogenannten Engländern unsere deutschen 6 Masch Gew, die von der Breslau abgegeben worden waren, erkannte. Schon im Laufe der Nacht waren sie wegen der Unbekanntheit ihrer Uniformen angehalten, verprügelt u. jedenfalls nicht ganz nach vorn gelassen worden. Und nun in diesem entscheidenden Moment, wo die Türken grade so wenig Masch. Gew. hatten u 6 gute Masch. Gew. gut geführt, Ausserordentliches hätten leisten können, fand ich sie gefangen. Ich räumte natürlich gleich damit auf u. befahl ihnen weiter vorwärts in Stellung zu gehen.“[iv]
Bericht des Oberleutnant z. S. E. Krülls über die Tätigkeit der Maschinen-Gewehr Abteilung der Flotte auf Gallipoli.
Zur Landungs-Abteilung der Flotte auf Gallipoli kommandiert fuhr ich am 27.ten August 1915 nach den Dardanellen und übernahm am 30. August die Maschinen-Gewehr Abteilung von Herrn Oblt z.S. Boltz auf dem Düs Tepe bei Ari Burnu.
Es waren 4 Masch. Gewehre in Stellung in vordersten Schützengräben, welcher sich auf dem Kamme des Düs Tepe, dem äussersten Bergrücken nach dem ägäischen Meere zu, hinzog. In Feuerleeseite des Bergrückens, etwa 10 Minuten vom Schützengraben entfernt, befand sich unser Lager. Die englischen Gräben lagen gegenüber auf den niedrigeren Hängen, sich nach Ari Burnu zu unseren Gräben stellenweise auf 20 bis 30 Meter nähernd. Bei unseren Masch. Gewehren betrug die Entfernung durchschnittlich 300-600 Meter.
Sowohl in den Gräben wie auch im Lager hatten wir sehr unter den unzähligen Flöhen, Läusen und Fliegen zu leiden. Ich Iiess deshalb alsbald ein Badezelt aufstellen, damit sich die Leute durch erhöhte Sauberkeit wenigstens etwas gegen das Ungeziefer schützen konnten. An Wasser war natürlich auch gerade kein Ueberfluss vorhanden, da dasselbe etwa 3 Stunden weit auf Maultieren hergebracht werden musste.
Am 30ten abends setzte ein heftiger Feuerüberfall der feindlichen Artillerie ein, gefolgt von einem Angriff auf den rechten Flügel unserer Stellung, der [...] Nach langem Hin- und Herreiten ohne Karte und Führer durch das schluchtenreiche Gebirge erreichte ich endlich am 18.ten Sept. nachmittags das Lager der Kiretsch Tepe Abtlg. Und übernahm das Kommando von Herrn Leutnant Aliy.
Vom Lager zu unseren Stellungen hatte ich etwa dreiviertel Stunden zu marschieren, immer in Sicht des Feindes und durch keinerlei Zugangsgraben gegen feindliches Feuer geschützt.
Während ich auf dem Düs Tepe gut ausgebaute Gräben vorgefunden hatte, gab es hier nichts dergleichen sondern nur aus losem Gestein aufgeschichtete Wände, welche gegen Sicht schützten. Nur in den Schluchten gab es auf kleine Strecken dürftige Grabenstücke. Der Mangel an richtigen Gräben war auf die felsige Bodenbeschaffenheit und die geringe Pionierausrüstung zurückzuführen.
Unsere Stellung verlief quer zum Rücken des Kiretsch Tepe, auf der Höhe, dann im rechten Winkel nach Norden parallel zur Küste des ägäischen Meeres umbiegend.
Bei meiner Ankunft befanden sich nur zwei M.G. in Stellung. Ich liess alsbald mit den vorhandenen Mitteln neue Stände herstellen und zunächst vorne ein drittes, in den Buchten von Grass Masserlik und Klein Masserlik je ein M.G. gegen etwaige Landungsversuche der Engländer und im Lager ein M.G. gegen Flugzeuge aufstellen. Die fehlenden Leute erhielt ich teils von Kilia Tepe, teils von dem türkischen Regiment 126.
Da die Unterkunft der Mannschaften in lose aufgeschichteten Steinhöhlen ungenügend war, liess ich die dienstfreien Leute mit dem Bau grösserer Hütten aus Steinen und Lehm beginnen.
Allerdings machte die Beschaffung des notwendigen Holzes grosse Schwierigkeiten. Aus diesem Grunde konnte auch an die Herstellung von splittersicheren Unterständen gar nicht gedacht werden.
Besondere Schwierigkeiten machte auch die Sicherstellung der Verpflegung. Es mangelte an Tragtieren, um den Dauer-Proviant von Kilia Tepe herbeizuschaffen, und an frischem Fleisch.
Erst nach geraumer Zeit gelang es mir, eine regelmässige Zufuhr zu ermöglichen. Da es nicht möglich war, warmes Essen in die Stellung zu bringen, mussten sich die Bedienungen der Gewehre alle 24 Stunden ablösen.
Um im Gefecht die Munitionszufuhr und die schnelle Ausführung von kleinen Reparaturen zu sichern, wurde mit vieler Mühe direkt hinter der Feuerlinie ein Munitions- und Reparaturunterstand gebaut, der in der Folge ausgezeichnete Dienste leistete; er war so gelegen, dass er von allen M.G. auch im Gefecht schnell und sicher zu erreichen war.
Bei dem vollkommenen Mangel an Unteroffizieren hatte ich alle Hände voll zu tun, um die verschiedenen Arbeiten zu beaufsichtigen und für die Verpflegung zu sorgen. Natürlich konnten die Arbeiten in der vorderen Linie wegen des feindlichen Feuers nur nachts ausgeführt werden.
Ich liess späterhin nach Rücksprache mit dem Divisionskommandeur zwei M.G. weit vor der vordersten Linie aufstellen, einerseits um die feindlichen Stellungen besser zu flankieren, anderseits des moralischen Einflusses auf die türkischen Leute wegen, welche mehr Vertrauen zu ihren Stellungen bekamen und nun ihrerseits begannen, sich durch Sapper weiter vorzuarbeiten.
Auch hier auf dem äussersten rechten Flügel der Anafarta-Stellung beschoss der Feind regelmässig vier bis fünf Mal täglich unsere Stellungen und Verbindungswege. Es beteiligten sich an dieser Beschiessung meist die Landbatterien, zwei in der Suvlabucht liegende Linienschiffe und ein Monitor und ein grosser Zerstörer vom Norden her, sodass wir stets im doppelten Feuer lagen.
Die feindliche Infanterie verhielt sich hier durchweg ruhiger als bei Ari Burnu. Die Tätigkeit beschränkte sich auf nächtliche Handgranatenangriffe von unserer Seite und Maschinengewehr -Duelle.
Infolge der vielen türkischen Artilleriestellungen zwischen Anafarta und Kiretsch Tepe machte sich eine sehr lebhafte Fliegertätigkeit des Feindes bemerkbar, welche auch wiederholt das Lager bombardierten. Die Flugzeuge hielten sich stets in ziemlicher Höhe, für M.G. meist nicht erreichbar.
Unter Ungeziefer hatten wir hier nicht so sehr zu leiden wie auf dem Düs Tepe; auch die Fliegenplage begann mit dem Eintreten kühlerer Witterung erträglicher zu werden.
Am 27.ten Sept. abends eröffneten die Engländer nach einem Handgranaten-Angriff von Seiten der Türken ein äusserst heftiges Artilleriefeuer auf unsere Stellungen, wovon sich alle Schiffe bei Ari Burnu, in der Suvla-Bucht und im Golf von Saros beteiligten. Auf dem Weg nach vorne wurde ich auf freiem Felde von Granaten und Schrapnells förmlich eingedeckt, ohne Schaden zu nehmen. Hinterher folgte ein Infanterieangriff auf der ganzen Linie vom Kiretsch Tepe bis zum Ismail Tepe, der aber glänzend abgeschlagen wurde. Die Engländer hatten ziemlich starke Verluste. Durch einige von den Türken gemachte Gefangene erfuhren wir, dass sich unter dem uns gegenüberliegenden Engländer bereits Teile der neuen Kitchener-Armee befanden.
Am 29.ten wiederholten die Engländer den heftigen Feuerüberfall, ohne jedoch hinterher zum Sturmangriff anzusetzen. Ein M.G.-Stand und der Munitions-Unterstand wurden leicht beschädigt durch Artillerietreffer und bald wieder ausgebessert. In den folgenden Tagen nahm die Artillerietätigkeit des Feindes immer mehr zu und richtete leichtere Schäden in den Stellungen und Zugangswegen an. Auch die Fliegertätigkeit nahm zu; es gelang uns jedoch nicht, ein Flugzeug durch unser M.G. herunterzuholen.
Aber auch die Türken zeigten eine erhöhte Artillerietätigkeit und erzielten durch nächtliche Handgranatenangriffe unterstützt durch unsere M.G. gute Erfolge.
Den Höhepunkt erreichten die feindlichen Feuerüberfälle am 6. Oktober nachmittags, als sicht nicht nur die Schiffe in der Suvla-Bucht und bei Ari Burnu, sondern vom Golf von Saros her noch weitere vier Zerstörer und drei Monitore daran beteiligten. Trotz dieses heftigen Kreuzfeuers gab es nur wenige Verluste. Auch unsere Stände wurden mehr oder weniger zerstört, wurden aber in der Nacht wiederhergestellt. Im Lager waren auch einige Verluste zu beklagen. Ein erwarteter Sturmangriff der feindlichen Infanterie folgte dieser heftigen, stundenlangen Beschiessung nicht.
Am 7. Oktober erhielten wir Zuwachs: Die Masch. Gewehr-Abteilung von Ismail Tepe wurde mit uns vereinigt. Ich liess sofort neue Stände für die angekommenen Masch. Gewehre auf dem linken Flügel des 126. Regiments ausheben und möglichst weit nach vorne bis an die Drahtverhaue legen, um der türkischen Infanterie Gelegenheit zum Ausbauen nach vorne zu geben. Jetzt hatte ich auch mehrere Unteroffiziere zur Unterstützung erhalten; der Bootsmaat Eydan leistete mir nun beim Vorschieben der Stellungen wertvolle Dienste. Gleichzeitig setzte auch im Lager eine lebhaftere Bautätigkeit ein, besonders da uns die ersten Regengüsse die Unzulänglichkeit unserer Steinhöhlen so recht gezeigt hatten.
Am 12.ten Oktober besichtigte S. Exz. Liman von Sanders die M.G.-Stellungen und verlieh verschiedenen Leuten für ihr tapferes Verhalten den eisernen Halbmond.
In der Nacht vom 14. auf den 15. erhielt ich durch eine im Graben einschlagende Granate eine Gasvergiftung; ich war einige Stunden bewusstlos, erholte mich aber dann bald wieder, sodass ich am Morgen ins Lager zurückkehren konnte.
In den letzten Tagen hatten die Engländer mehrere neue M.G. uns gegenüber aufgestellt, anscheinend um die Entfernung von Infanterietruppen zu verschleiern. Die türkischen M.G. auf dem rechten Flügel des 126. Regiments wurden am 16. dort weggenommen; ich liess deshalb unsere Reserve-Gewehre daselbst in Stellung bringen, sodass ich jetzt 9 M.G. in der Front und eins zur Fliegerabwehr im Lager hatte.
Am 19. ten Oktober packte mich ein Typhusanfall, wahrscheinlich angesteckt durch bei den letzten Regengüssen verseuchten Quellwasser. Wurde am 21. Oktober über Kilia Tepe nach Konstantinopel geschafft und ein Leutnant zu meiner vorläufigen Vertretung kommandiert, da mein Zustand sich zusehender verschlimmerte.
Krülls, Oblt. Z.S. d. R.
Beitrag für eine "Geschichte der Landungsabteilung" Vom 25. Oktober bis zum Abzuge des Feindes von Gallipoli [Verfasser wahrscheinlich Oblt Boltz]
Am 25. Oktober 1915 übernahm Korv.-Kapitän Frhr. v. Kottwitz für den krankheitshalber nach Deutschland beurlaubten Korv.-Kpt Rohde das Kommando der Landungsabteilung. Kpt. v. Kottwitz hatte seit Kriegsbeginn den türk. Kreuzer "Hamidiye" geführt und war frei geworden, weil das veraltete Schiff einer Reparaturzeit für seine Geschütze bedurfte und wegen der von Monat zu Monat sich steigenden Vermehrung und Vervollkommung der russ. Flotte im Schwarzen Meere kaum noch Aussicht auf aktive Verwendung hatte.
Allgemeines.
Ende Oktober hatte die L.A. der Flotte 2 Detachements zu ja 6 M.G. und je 2 Reservegewehren an der Front. Für jedes Gewehr waren einschließlich Munitionsmännern und Wasserträgern 4 Mann mit einmaliger Ablösung vorgesehen, sodaß für jedes Gewehr stets 4 Mann am Gewehr im Schützengraben und 4 Mann im dahinter befindlichen Lager waren. Jedes dieser Detachements, welche Det. I. und II. genannt wurden, zählte etwa 70 Köpfe.
Auf Kilia-Tepe war der Stab und der Reservezug, im ganzen ebenfalls 70 Köpfe stark, untergebracht. Hier war auch eine Signalstation, eine F.T.-Station, ein Waffen-, Munitions- und Proviantdepot hergerichtet oder angelegt worden. Die L.A. unterhielt ferner auf der Spitze von Kapa-Tepe südl. des linken Flügels der türkischen Stellung eine Beobachtungsstation und nördlich des rechten Flügels, nördlich des Dorfes Taifur, den Stand Hersing. Letzterer war Nachrichtenaustauschstelle für eigene U-Boote.
Kapa-Tepe und Hersing-Stand hatten direkte telephonische Leitung, während für die M.G.Detachements I. und II. die türkische Telephonleitung benutzt werden musste. In Mal-Tepe, der türk. Telephonzentrale, waren einige deutsche des Türkischen mächtige Matrosen untergebracht, um die Interessen der L.A. wahrzunehmen.
Mit der Südfront (Sed ul Bahr) hatte die Abteilung zur Zeit nichts zu tun.
M.G. Detachement I. war im Bereich der 19. türk. Inf. Div bei Düs-Tepe ("flacher Berg") untergebracht. Düs-Tepe lag ungefähr am linken Flügel der türk. Stellung. Der Führer des Detachements war Leutnant z.S. Schmidt. Als Arzt befand sich dort der Unterarzt Koch, welcher wegen Mangel an Offizieren fast ausschließlich militärische Verwendung fand und Offizierdienste tat.
Gefechtstätiqkeit.
Die Gefechtstätigkeit war beim Det. I. seit Ende Oktober gering. Die türk. Schützengraben, in welchen unsere Maschinengewehre einzeln und oft in weiten Abständen von einander aufgestellt waren, lagen 200 bis 800m von den engl. Gräben entfernt. Dank des festen, tonigen Bodens konnten die türk. Schützengräben und Unterstände sorgfältig und sachgemäß ausgebaut werden. Sicher waren sie ebenso gut als die gegenüberliegenden engl. Gräben, wie sich später herausgestellt hat. Namentlich konnten die M.G.-Stände von Tag zu Tag verbessert werden. Dank des guten Einvernehmens, welches bei Det. Schmidt zwischen Türken und Deutschen herrschte, wurde uns reichlich Material: Balken, Sandsäcke, Bohlen u. dgl. mehr geliefert, um die M.G.-Stände bombensicher eindecken zu können. Zur Abwehr eines feindl. Angriffs ist es in Düs-Tepe nicht mehr gekommen. Die Truppe hatte in den Gräben hauptsächlich durch Haubitz- und täglich fast regelmäßig eine halbe Stunde lang unter Schiffsfeuer zu leiden. Die Verluste waren hierbei nicht groß, wenn nicht zufällig ein Volltreffer in den Graben schlug. Der Feind schoß mit zahlreichen M.G. recht häufig. Unsere Gewehre antworteten, so bald sich ein lohnendes Ziel bot. Tägl. wurden von jedem Gewehr einige Kasten Munition verfeuert und zwar meist während der Dunkelheit. Unangenehm machten sich auch die feindl. Gebirgsgeschütze bemerkbar, die sehr geschickt in dem gebirgigen Gelände aufgestellt waren. Sowie eins unserer M.G. seine Stellung durch Feuer verraten hatte, waren blitzschnell einige Schuß da, die meistens gut gezielt waren, aber auch nur dann Wirkung hatten, wenn sie Volltreffer waren.
Die 19. Inf.Div. hatte im November und Dezember durch das feindl. Feuer und in den vorgeschobenen Gräben, welche stellenweise nur 5m von den englischen entfernt waren, auch durch Bomben einen Tagesverlust von 40-50 Mann. Unsere deutschen M.G. hatten dank der guten Schutzvorrichtungen, und weil sie Glück gehabt haben nur einige Leichtverwundete zu verzeichnen.
Anders lagen die Verhältnisse beim Det. II. in Keretsch-Tepe (Kalkberg) im Bereich der 11. türk. Inf.Div. unmittelbar am rechten Flügel der türk. Stellung. Führer war zunächst der wegen Mangel an Seeoffizieren von der V. Armee zur Verfügung gestellte Oblt. Keiner von der Fuß.Art., welcher später durch Oblt z.S. Raspel von S.M.S. Goeben ersetzt wurde. Als Arzt stand ihm Dr. Hiltmann zur Seite.
Der Feind unterhielt hier eine rege Feuertätigkeit und konnte während der Nacht seine Gräben immer näher an die türk. Stellungen heranschieben, weil das Gelände von den türk. Gräben aus nicht eingesehen werden konnte. Er gewann also andauernd an Raum. Die türk. Gräben waren hier recht mangelhaft, da sie einerseits vor der Landung der Engländer am 6. August nicht ausgebaut waren, und andererseits der felsige Grund und Boden Erdarbeiten oft nur mit Hilfe von Dynamitsprengungen möglich machte. An letzterem war natürlich wie an allem Material in der Türkei großer Mangel bis die Flotte damit aushalf. Es mangelte auch an Material zum Ausbau der M.G.-Stellungen und Stände. Die 11. Inf.Div. hatte selbst nicht genug für den eigenen Bedarf. Die Basisstation Kilia-Tepe war 6-7 Marschstunden vom Det. Entfernt und hatte gerade in der Zeit des Ausbaues der Stellungen Mangel an Transportmitteln, sodaß von hier aus nur in geringem Maße helfend eingegriffen werden konnte. Es war oft schwer, auch nur den nötigen Proviant an die Front zu schicken. Täglich wurden auch hier von jedem Gewehr einige Kasten Munition verschossen. Die Antwort war stets heftiges gegnerisches M.G.-Feuer, welches meist aus der Flanke kam. Außerdem hatte die Mannschaft in den Gräben viel unter schwerem Schiffsfeuer von den Monitoren, den Kreuzern der Juno-Klasse und von englischen Torpedobootszerstörern sowie unter dem Feuer der Landbatterien zu leiden. Die Verluste bei der 11. Inf.Div. waren größer, als bei der 19. Div. Das M.G.-Detachement II. hat im November und in den ersten Tagen des Dezembers trotzdem es auch hier nicht zur Abwehr eines Angriffs gekommen ist, sondern an Toten 5 Mann und an Verwundeten 6 Mann verloren.
Das Detachement hat auf Anregung des deutschen Div.-Kommandeurs, Oberstleutnant Willmer, [Anmerkung, vermutlich von Kottwitz: welcher uns in jeder Hinsicht half, soviel er konnte und die deutschen M.G.'s in seiner Verteidigungsabsicht für unersetzlich hielt] die Zeit benutzt, türk. Infanteristen am M.G. auszubilden. Hierzu wurden aus den 3 Regimentern der Division intelligente Leute ausgesucht, ausgebildet und mit erbeuteten englischen M.G. ausgerüstet. Es entstanden so zwei neue türk. M.G.- Kompagnien zu je 6 Gewehren, sodaß zusammen mit den deutschen 6 Gewehren jedem der drei Infanterie-Regimenter eine M.G.Kompagnie zugeteilt werden konnte. Alle drei M.G. Kompagnien sollten dem deutschen Detachements-Führer unterstellt werden. Wenn auch diese Organisation bis zum Abzuge der Engländer auch nicht ganz zur Durchführung gelangt ist, so bildeten die neuen M.G.'s einen äußerst wertvollen Zuwachs der Verteidigungskraft.
Gesundheitszustand.
Der Gesundheitszustand der Truppe war während der warmen Jahreszeit sehr schlecht. Wenn er auch dank besserer Verpflegung besser gewesen ist, als bei der ersten deutschen Pionierkompagnie, welche heraus gesandt wurde, und welche durch Krankheit aufgerieben worden ist, so haben doch die Mehrzahl der Offiziere und Mannschaften Krankheiten wie Typhus, Dysenterie, Ruhr, Malaria und Fieber durchmachen müssen. Eine Besserung trat mit Beginn der kalten Jahreszeit ein. Zur selben Zeit waren allerdings auch gute Unterkunftsräume in den Lagern und Gräben geschaffen, und vor allen Dingen eine regelmäßige Zufuhr der Verpflegung sichergestellt worden. [Anmerkung: Die Zugänge im Lager betrugen im August 70, im September 47, im Oktober 32, Im November 19, im Dezember 30 und im Januar 9 Mann.] Die größte Sorge in gesundheitlicher Beziehung verursachte das Lager des Detachements II. am Keretsch-Tepe. Hier herrschte eine regelrechte Typhusepidemie. Nacheinander waren hier im September und Oktober 5 Offiziere bezw. Stellvertreter a.a. alle Detachementsführer, von denen Leutnant z. S. Krafft später starb, und eine Reihe von Mannschaften am Typhus erkrankten. Das verseuchte, alte Lager bestand aus primitiv und schnellhergerichteten Erdhütten, inmitten der türk. Soldaten bei einer sumpfigen Quelle. Mit der Ende Oktober begonnenen schleunigen Verlegung des Lagers einige Kilometer weiter zurück hörten die Typhuserkrankungen mit einem Schlage auf. Auch in Kilia-Tepe, Düs-Tepe und den Beobachtungsstationen sind vereinzelt auftretende Typhuserkrankungen vorgekommen. Beim Abzug der Engländer war der Gesundheitszustand der Truppe gut. Die Kranken waren wieder gesund geworden, hatten sich in Konstantinopel vorzüglich erholt und schienen gegen neue Ansteckungen immun zu sein oder sie waren abgelöst und durch gesunde Leute ersetzt worden.
Lagerbau.
Die Bautätigkeit an allen Stellen ist seit Ende Oktober nie unterbrochen worden. Es galt vor allen Dingen die Zelte, die nur in ungenügender Zahl und schlechter Qualität vorhanden waren, beschleunigt verschwinden zu lassen, und Offiziere und Mannschaften vor Eintritt der kalten Jahreszeit regensicher und warm unterzubringen.
Beim Det. I. lagen die Verhältnisse aus den schon erwähnten Gründen günstig. Die 19. Inf.Div.unterstützte das Detachement in jeder Hinsicht. Deshalb ging der Lagerbau schnell von Statten.
An der dem Feinde abgekehrten Seite eines ziemlich steilen Hügels enstanden in kurzer Zeit kleinere und größere Steinhäuser. Die Ziegelsteine wurden aus dem 1 Stunde entfernten, zerschossenen Städtchen Maidos geholt, wo die Griechenhäuser zu diesem Zwecke abgetragen wurden. Als Bedachungsmaterial bewährte sich nicht nur hier, sondern auch an allen Stellen das von der Flotte reichlich herausgesandte Wellblech, welches, um den feindlichen Fliegern nicht aufzufallen und um wärmer zu halten, ~ Fuß hoch mit Erde beworfen wurde. Das Wellblech war auch vorzüglich geeignet, die Lauf- und Schützengräben zu bedecken. Mit Erde beworfen stellte es einen splittersicheren Schutz dar. In Düs-Tepe wurden zwei Mannschaftshäuser, ein Unteroffiziershaus, Kombüse, Waffenkammer, Pferdestall, Offizierswohnung und eine Messe gebaut. Letztere war durch Herbeischaffung von Bullaugen, Büffet, Tischen und Stühlen aus der Kajüte eines in Ak-Bäsch von einem feindlichen U-Boot versenkten türk. Dampfers zu einer kleinen Sehenswürdigkeit geworden.
Beim Det. II. musste der Typhusepidemie wegen ein ganz neues Lager geschaffen werden. Die türk. Inf.Div konnte nicht viel helfen, weil sie selbst nicht im Stande war genügend Baumaterial heranzuschafffen. Der Abteilung, welche ja keinen Etat besaß und nur nach Bedarf ergänzt wurde, erwuchsen im November ernste Schwierigkeiten durch den gänzlich Mangel an Transportmitteln, welche nicht vorgesehen waren. Nur 2 Reitpferde waren vorhanden. Es bestand der unhaltbare Zustand, dass für jeden größeren Transport von Baumaterialien und dgl. Bei irgendeiner türk. Behörde Wagen oder Tragtiere erbeten werden mussten. Im Sommer mag das bei den guten Wegen und weil Baumaterial nicht transportiert werden brauchte ja gegangen sein, zumal der Abteilung eine fahrbare türk. Armee- F.T.-Station unterstand, deren Pferde und Wagen zu Transportzwecken benutzt werden konnten. Anfang November wurde diese Station zur neuaufgestellten Usun-Köprü-Armee kommandiert und durch eine feste Station, die keine Pferde besaß, ersetzt. Außerdem brauchten die V. Armee und die Etappenintendaturen sowohl wie die Regimenter, welche bisher manchmal mit Pferden ausgeholfen hatten, ihre gesamte Bespannung, um die nach dem Freiwerden des Weges durch Serbien mittlerweile aus Deutschland in Usun-Köprü eingetroffene Munition zur Front zu schaffen. Die Landungsabteilung war also in einer Zeit, in welcher Transportmittel am nötigsten gebraucht wurden, ohne solche. In der Nacht zum 26. November entlud sich ein schweres Gewitter mit Wolkenbrüchen über Gallipoli, sodaß die Wege grundlos wurden und die Ebene bei Turschun-Köj, durch welche der Weg nach Keretsch-Tepe führte, in einen großen Sumpf verwandelt wurde. Dem Unwetter folgte strenge Kälte mit starkem Schneefall. Keretsch-Tepe war einige Tage lang vom Verkehr abgeschnitten. Das Unwetter, dem viele Türken und viel Pferde durch Ertrinken und Erfrieren zum Opfer fielen, hat der Abteilung wenig Schaden getan.
Nur zwei von der 11. Inf.Div. geliehene Packpferde, sind in Keretsch-Tepe erfroren.
Als Antwort auf ein Gesuch traf Ende November von der Flotte die Nachricht ein, dass der Landungsabteilung von der türk. Heeresverwaltung 5 Offiziersreitpferde, 3 bespannte Wagen und 18 Tragpferde nebst Pferdepflegern und einem halben Dutzend Ordonnanzen zur Verfügung gestellt seien. Um das Herbeischaffen der Tiere möglichst zu beschleunigen, wurde der Adjutant, der von der V. Armee zur verfügung gestellte Leutnant Aby vom kgl. Preuss. Feldartillerie-Regiment No 26 und der Verwaltungsoffizier Hilfs-Garnisions-Inspektor Hinnighofen, ein Kaufmann aus Konstantinopel und Kriegsfreiwilliger, nach Konstantinopel geschickt. Anfang Dezember traf der Tranport mit 29 Pferden nach fünftägigem Landmarsch wohlbehalten in Kilia-Tepe ein, womit die Transportschwierigkeiten überwunden waren. Mit Hilfe dieser Pferde und Wagen konnte das inzwischen von der Flotte aus Konstantinopel herausgesandte Baumaterial im Besonderen Bauholz, Bretter, Wellbleche ferner Dachpappe, Öfen, Brennholz und Holzkohle in reichlichem Maße nach Keretsch-Tepe gesandt werden.
Anfang Dezember war hier der Lagerbau annähernd fertig. Das Lager lag weit ab von den türkischen Lagern, bot den Leuten Schutz gegen die Unbilden des Wetters und war vor allen Dingen gesund. Nachteilig war, dass es reichlich weit von den Schützengräben entfernt war der Anmarsch der Ablösung dauerte 2 Stunden - und dass es namentlich in letzter Zeit häufig der indirekten Beschießung durch die feindlichen Monitore ausgesetzt war. Der Ausbau der Beobachtungsposten in Kapa-Tepe und Hersingstand machte keine Schwierigkeiten, da die kleinen von Unteroffizieren geführten Detachements im besten Einvernehmen mit den Türken lebten, deren Offiziere (auch Regiments- und Bataillonskommandeure) den Verkehr mit unsern Leuten suchten, um deutsch zu lernen.
Sehr viel leichter war naturgemäß gegenüber den unmittelbar an der Front befindlichen Lagern der Ausbau von Kilia-Tepe selbst, und hier ist denn auch nach und nach eine kleine Kolonie entstanden. Unter Kpt. Rohde war schon im Sommer begonnen worden, mit dem wenigen zur Verfügung stehenden Material steinerne Häuser zu bauen. Diese Arbeit musste nun eifrig und beschleunigt fortgesetzt werden. Die Haupttätigkeit konnte naturgemäß erst einsetzen, nachdem von Konstantinopel das notwendige Baumaterial herausgeschickt worden war. Nur die Steine, Feldsteine oder Ziegelsteine aus Maidos, waren vorhanden. Ursprünglich bestand Kilia-Tepe aus 2 steinernen Häusern, Resten einer alten Befestigungsanlage, welche als Kombüse und Stall Verwendung fanden. Ein unter der Erde gelegener Keller, wahrscheinlich die alte Pulverkammer, diente als Proviantraum, eine alte Zisterne als Wein last. Offiziere wie Mannschaften lebten anfangs in Zelten. In der ersten Dezemberhälfte waren diese verschwunden. Dafür war ein Offizierwohnhaus entstanden bestehend aus 4 Offizierwohnräumen, 2 Fremdenzimmern, einer Messe, Offizierküche, Pantry und Büro. Etwas weiter oberhalb in Rufweite lag das Burschen- und Dolmetscherhaus für 8-10 Mann, daneben das Telephonhaus. Noch weiter aufwärts in 200m Entfernung war ein Unteroffizier- und ein Mannschaftsraum für etwa 40 Mann entstanden. Das Lazarett, das 100m unterhalb des Offiziershauses lag, war für 20 Kranke eingerichtet. Daneben schloß sich ein zweiter Mannschaftsraum an, welcher zuerst gebaut worden war, sich aber als zu klein erwies. Als Reserveraum besonders während des Umzuges nach der Südgruppe hat er gute Dienste geleistet. Besondere Sorgfalt war auf den Bau eines Pferdestalles verwandt worden; er lag einige 100m vom Stabsgebäude entfernt jenseits der F.T.-Station. Flankierbäume, eine gepflasterte Stallgasse, Sattel- und Futterkammer, Raum für die Stallwache erweckten den Eindruck eines heimischen Schwadronsstalls. Allmählich war der Ausbau des Lagers soweit gediehen, dass man schon an eine künstlerische Ausschmückung mit Hilfe von Gartenanlagen denken konnte, und tatsächlich wurde der Anfang hiermit beim Offizierswohnhause gemacht.
Nicht viel anders sah es auf den Beobachtungsständen aus, wo die Mannschaften sich mit der Zeit auch sehr nette und wohnliche Unterstände und Anlagen geschaffen hatten, worin sie sich bei der guten Verpflegung äusserst wohlfühlten. Der Abzug des Feindes von Gallipoli ist von Offizieren und Mannschaften lebhaft bedauert worden, weil er für die meisten das Ende einer schönen und erlebnisreichen Zeit bedeutete.
Verpflegung.
Die Verproviantierung, auf die nach den gemachten Erfahrungen die größte Sorgfalt verwandt werden musste, um die Abteilung auf einem guten Gesundheitszustande zu halten, geschah zum größten Teil von Konstantinopel aus. Die Sachen wurden in Kilia-Liman ausgeladen und von dort nach Kilia-Tepe in das Proviantdepot geschafft. Manches wurde aber auch auf Anforderung gegen Quittung von der türkischen Etappe in Kilia-Liman verabfolgt wie z.B. Brot, Kartoffeln, Frischfleisch, Käse, Sardellen, Zwiebeln, Kohl, Petroleum etc. Außerdem wurde, wenn sich Gelegenheit bot, der Verpflegungsoffizier nach Klein-Asien geschickt, um dort freihändig Wein, Gänse, Hühner, Honig, Gemüse etc. einzukaufen. Die Detachements meldeten 2 mal wöchentlich ihren Bedarf an und holten sich das von dem Verwaltungsoffizier
bestimmte Quantum ab. Auf diese Weise war einer Verschwendung vorgebeugt und für reichlich abwechslungsreiche Verpflegung gesorgt.
Geschütze, Scheinwerfer.
Im Hafen von Kilia wurden oft Dampfer mit Proviant für die V. Armee gelöscht. Da der Hafen von Kilia-Tepe aus gut übersehen werden konnte, trat die Etappeninspektion der V. Armee wiederholt an die Abteilung mit der Bitte heran, diese wertvollen Dampfer gegen U-Boote zu schützen. Außer einem von der Festung überlassenen S.K.-Geschütz stellte Exz. V. Liman der Landungsabteilung zu diesem Zweck Feldgeschütze und einen Scheinwerfer zur Verfügung. Eins davon wurde als Flugabwehrgeschütz hergerichtet und trat fast täglich gegen die Flieger, welche den Hafen von Kilia mit Bomben bedachten in Tätigkeit.
Abmarsch zur Südfront.
Am 22. Dezember marschierte Det. I. direkt und Det. II. über Kilia-Tepe, wo übernachtet wurde, zur Südfront. Treffpunkt der Detachements war die Landungsbrücke von Sowang Lidere. Dank der vorhandenen Pferde und Wagen und dank der Möglichkeit mit einem kleinen Dampfer die schweren Sachen: M.G.'s, Munition, Rucksäcke u. Hängematten unmittelbar am Strande bis zu dieser Landungsbrücke fahren zu können, vollzog sich der Marsch in kürzester Zeit und ohne Übereilung. Die M.G.'s wurden vom Gruppenkommandeur, Exz. Dschewar Pascha, freudigst begrüßt. Standen ihm doch bisher auf der ganzen Südfront nur 13 M.G.'s, je 4 bei jeder der 3 Divisionen, zur Verfügung! Die vereinigten M.G.-Detachements bezogen ein Lager in der Nähe von Aly-Bey Chiftlik. Fünf M.G.'s unter Leutn. Z.S. Graf Deym wurden zunächst zur linken Flügeldivision (der 15.), fünf andere Gewehre unter Leutnant z.S. Schmidt zur mittelsten Division (der 20.) geschickt. Am 24. Dezember konnten der V. Armee fünf M.G.'s in vorderster Front in Stellung gemeldet werden. Weitere fünf Gewehre folgten am späten Abend. Die Zahl der M.G.'s konnte bald auf 14 und später auf 20 erhöht werden.
Gefechtstätiqkeit.
Beim Detachement des Leutnant z.S. Graf Deym hatte die türkische Division vorzügliche M.G.Stände und bombensichere Unterkunftsräume vorbereitet. Zwei von den Gewehren flankierten einen von den Franzosen, die uns hier gegenüber lagen, gesprengten Trichter, wo ein feindlicher Einbruch befürchtet wurde. Sie standen nur 20m von dem feindlichen Schützengraben entfernt, waren aber gut gegen Bomben, die hier ausgiebig verwandt wurden, gedeckt. Das Detachement ist nicht mehr zum Feuern gekommen und hat auch keine Verluste erlitten. Die Gewehre des Detachements Schmidt waren in der Nähe und östlich des seit Monaten heißumstrittenen Dorfes Kritia (Kirthe) in Stellung gebracht worden. Hier mussten die M.G.-Stände neu ausgesucht und ausgebaut werden, wobei das deutsche Pionierkommando bereitwilligst Hülfe leistete. In der Nacht zum 30. Dezember sprengten die Engländer eine Mine unter den türkischen Schützengräben und gingen sofort zum Sturm über. Es gelang ihnen zwei Teile einer Grabengabel zu nehmen und sich darin festzusetzen. Hierbei fiel noch ein Mann, ein anderer wird seitdem vermisst und zwei Leute verwundet. Die M.G.'s wurden an einer günstigeren Stelle eingebaut. Sonst sind die M.G.'s auch hier nicht mehr in Tätigkeit getreten.
Am 9. Januar 1916 traf folgendes Telegramm ein:
F.T. an Kilia-Tepe vom 9.1.16.
Ich spreche der Flotten-Landungsabteilung meine freudigste Anerkennung aus für ihre vorbildlich kühne zähe Tätigkeit inmitten der braven Truppen der V. Armee. Sie hat heute den wohlverdienten großen Erfolg mit herbeigeführt und wird ein Ruhmesblatt der deutschtürkischen Flotte bleiben. Flottenchef (Souchon)
Später wurden der Landungsabteilung noch folgende Telegramme bekannt gegeben:
F.T. von V. Armee. Admiral Souchon.
Eurer Exzellenz und der Flotte bitte ich den aufrichtigsten Dank der V. Armee für die hervorragende Unterstützung aussprechen zu dürfen, die wir durch die Flotte und während der gesamten 8 und einen halben Monat dauernden, harten Kämpfe durch die Landungsabteilung der Flotte stets gehabt haben.
Liman v. Sanders.
Konstantinopel, den 15.1.16.
An seine Exzellenz den Flottenchef!
Den neunmonatigen Bemühungen des Vierverbandes ist es nicht gelungen, unsere alte Kaiserstadt an sich zu reißen. Ich spreche daher den vereinten Streitkräften zu Wasser und zu lande, die keine Opfer scheuend in unermüdlicher Ausdauer heldenmütig da draußen in den Drdanellen auf der Wacht gestanden, meinen Dank mit höchster Anerkennung aus und gedenke derer, die hinauszogen und auf dem Felde der Ehre ihr Leben einsetzten für die gemeinsame Sache.
Eine große Genugtuung bereitet es mir, hier an dieser Stelle ganz besonders der heißen Arbeit und hingebenden Leistungen zu gedenken, die die Flotte an dem Befreiungswerk getan hat.
Unermüdlich Tag und nacht unter Leitung Eurer Exzellenz haben Offiziere und Mannschaften in gemeinschaftlicher Tätigkeit weitgehendst dazu beigetragen, daß die mit tausenderlei Schwierigkeiten verknüpfte Unternehmung diesen günstigen Abschluß gefunden hat.
Ich rufe daher Eurer Exzellenz, den Offizieren und Mannschaften der Flotte meinen innigsten Dank zu für due Tätigkeit, die zum Ruhmesblatt in der Weltgeschichte wurde.
Enver Pascha Stellvertretender Oberbefehlshaber und Marineminister
Am 13.1.16. wurde die Landungsabteilung vorläufig aufgelöst; nur ein Detachement von 60 Köpfen unter Oberleutnant z.8. Boltz blieb zurück, um die Lager abzubrechen und die Beobachtungsstationen zu besetzen.
[i] BA/MA RM 40 / 755, KTB der MMD, S. 146
[ii] BA/MA RM 40 / 755, KTB der MMD, S. 158
[iii] Prigge, Der Kampf um die Dardanellen, S. 68 ff
[iv] BA/MA, W 10 / 51475, Aufzeichnungen Mühlmann