Die Schlacht von Gallipoli 1915
Die deutsche Beteiligung
Die Landungen am 25. April 1915
Das strategische Ziel der alliierten Landung[i] war die Ausschaltung der artilleristischen Bedrohung auf beiden Seiten der Dardanellen, um die verlegten Sperren räumen zu können und damit die Durchfahrt der Flotte nach Istanbul zu ermöglichen. Dazu musste General Hamilton seine verfügbaren Streitkräfte möglichst schnell anlanden, die verteidigenden türkischen Kräfte zerschlagen und die Halbinsel sowie das asiatische Ufer der Dardanellen in Besitz nehmen. Nur so war es möglich, die Befestigungsanlagen an der Wasserstraße im Rücken zu fassen und einzunehmen. Sein Plan für die Landung sah vor, an zwei Stellen auf der Halbinsel sowie an einer Stelle auf dem asiatischen Ufer gleichzeitig zu landen und im Golf von Saros bei Bulair eine Landung vorzutäuschen. Das Australian and New Zealand Army Corps (ANZAC) sollte im Bereich von Kaba Tepe, das heißt südlich des Steilufers von Ariburnu am Westufer der Halbinsel landen, den Kocaçimen Tepe zum Schutz der linken Flanke nehmen, auf Maidos vorstoßen und damit die türkischen Verbindungslinien unterbrechen. Die britische 29. Division sollte im Südbereich der Insel an fünf Strandabschnitten, die mit den Buchstaben V, W, X, Y und S benannt worden waren, im Bereich Kap Helles und Seddil Bahr landen und den Eltschi Tepe[ii] nehmen, um von dort auf die inneren Küstenbefestigungen zu wirken und sie letztlich einzunehmen. Die französischen Kräfte sollten zunächst auf der asiatischen Seite bei Kumkale und Beşiktas landen, um die dort eingesetzten türkischen Kräfte zu binden und die Küstenbefestigungen bei Çanakkale zu nehmen. Im Golf von Saros sollte – entgegen der Annahme von Liman von Sanders – nur eine Landung vorgetäuscht und dadurch Kräfte möglichst lange gebunden werden. Der Angriffstermin war auf den Morgen des 25. April 1915 festgelegt worden[iii].
Noch am 24. April war eine umfangreiche Übung der 11. türkischen Division auf dem asiatischen Ufer durchgeführt worden, die wie alle damaligen Manöver auch den Einsatz gegen ein Landungsunternehmen, die daraus notwendige Kräftverschiebung und gegenseitige Verstärkung umfasste. Erst am späten Nachmittag kehrte Liman von Sanders mit seinem Stab wieder nach Gallipoli zurück. Am frühen Morgen des 25. April kündigte starker Geschützlärm die alliierte Landung an. Der Adjutant des Befehlshabers, Rittmeister Mühlmann, beschrieb diesen Moment: „Mit dem 25. April begann für uns der Ernst des Krieges; bis dahin waren es für uns nur interessante ungefährliche kleine Erlebnisse gewesen. [...] Sonntag früh wurde ich um 5 wach; die Sonne u. das blaue Wasser der Dardanellen lachten in mein Zimmer hinein, aber fortwährender, mal weiter, mal näher klingender Kanonendonner passten nicht zu dem friedlichen Bild. Gleichzeitig entschlossen Prigge u ich uns aufzustehen u. uns mal zu informieren. Wie wir vor das Quartier von L. kamen, stand der halbangekleidet vor seiner Haustür. In gleicher Zeit kam ein Generalstabsoffizier herangestürzt, daß Feind bei Sidilbahr u. Ari Burnu (nördlich Kaba Tepe) gelandet u. eine starke Transportflotte im Golf von Saros in Höhe von Izidze läge unter dem Schutz zahlreicher Kriegsschiffe. Da mit letzterer Meldung eine Landung im Golf von Saros bevorzustehen schien, wurde die bei Gallipoli liegende 7. Div. sofort alarmiert u. in Richtung Bulair in Marsch gesetzt. L. war leider etwas nervös u. statt bei dem Centralpunkt, dem A.O.K., wo alle Telefonleitungen zusammenlaufen, zu bleiben, schwang er sich aufs Pferd u. ritt mit uns beiden auf die Höhen bei Bulair. Natürlich kamen dadurch alle Nachrichten 1-2 Stunden später an u. der ganze Geschäftsbetrieb zwischen ihm u. dem in Gallipoli bleibenden A.O.K. wurde sehr erschwert, aber es ging auch so. Kaum waren wir auf der Höhe angelangt, so sahen wir ein heftiges Bombardement auf das Hauptfort von Bulair niederprasseln. Zeitweise war das ganze Fort in Rauch gehüllt, man glaubt bei diesen schweren Schiffsgeschossen, daß nichts heil bleiben kann; wenn man aber nachher den Schaden besieht, ist er, wenn die Volltreffer nicht gerade das Ziel treffen, gar nicht so schlimm. Die Trichter sind besonders bei den 38cm Geschossen der Queen Elisabeth riesengross, aber die Wirkung ist örtlich beschränkt; moralisch ist der Eindruck allerdings gewaltig; das muss man offen zugeben. Von der Höhe hatten wir nur beschränkten Ausblick u. durften uns hinter einem kleinen Strauchwerk versteckt, kaum regen. Hier traf uns auch die Nachricht von der feindl. Landung bei Kumkale u. bat Essad Pascha um die Erlaubnis, das G.Kdo nach Maidos verlegen zu dürfen, was, da 2 seiner Div. dort kämpften, bereitwilligst genehmigt wurde.“[iv] Von Sanders schien über diese Meldungen nicht überrascht, bestätigten sie doch im wesentlichen seine Planungen. Er schrieb, dass „aus den vielfach bleichen Gesichtern der meldenden Offiziere in früher Morgenstunde [..] ersichtlich [war], daß, obwohl eine feindliche Landung mit Sicherheit erwartet wurde, ihr Eintreten an so vielen Stellen manche überraschte und mit Besorgnis erfüllte. – Mein erstes Gefühl war, daß in unseren Maßregeln nichts geändert zu werden brauchte. Dies war eine Genugtuung! Die feindliche Landungsarmee hatte diejenigen Punkte ausgewählt, welche wir selbst als die wahrscheinlichsten Punkte besonders geschützt hatten.“[v] Er war jedoch sehr auf den Gedanken fixiert, dass der feindliche Schwerpunkt bei Bulair liegen würde und bewertete die Landungen an anderen Stellen nur als Ablenkungsmanöver – tatsächlich war es aber genau umgekehrt. Er blieb daher mit seinem Adjutanten Mühlmann vor Ort, der die Lage im Golf von Saros beschrieb: „Das Bild war wirklich imponierend; 12 meist grosse Transportschiffe, 1 grosser Tanker, 2 Kreuzer, einige Torpedoboote. Während meiner 2 stündigen Beobachtung lagen die Transportschiffe, die sehr hoch herausragten, still, von Ausbooten war nichts zu bemerken, die Kriegsschiffe fuhren mal hierhin, mal dorthin u. hielten sich mit Vorliebe dicht an der Küste der Halbinsel auf, alles, was sich zeigte, mit Feuer belegend. Als ich zu S. zurückkam, wurde primitiv gefrühstückt. Es wurde allmählich Abend und wir hofften, er würde bald das Zeichen zur Rückkehr nach Gallipoli geben. Aber er entschloss zu unser aller Erstaunen die Nacht draussen zu bleiben; der Zweck blieb uns verborgen, denn wir hatten gar keine telefonische Leitung vom A.O.K. zu uns.“[vi] Während der Armeebefehlshaber gebannt auf die nicht stattfindende Landung bei Bulair wartete, war dagegen die Lage an der Südspitze der Halbinsel kritisch. Dort und entlang der gesamten Westküste bis Kaba Tepe verteidigte lediglich das Infanterieregiment 26 mit Gefechtsstand in Kirthe. Während das 4. und das 2. Infanteriebataillon westlich von Kirthe zum Schutz der Westküste eingesetzt waren, hatte das 3. Bataillon mit rund 1000 Mann unter Führung von Major Mahmut die gesamte Südspitze bei Seddil Bahr zu schützen. Mahmut’s Bataillon hatte erst am 23. April den Bereich übernommen und unverzüglich den Ausbau der bereits vorhandenen Verteidigungsanlagen fortgesetzt. Vor allem wurden Drahthindernisse, Stellungsgräben und der flankierende Einsatz von vier Maschinengewehren, die von dem abgelösten Bataillon abgegeben worden waren, vorbereitet. Das Bataillon verfügte über keinerlei eigene Artillerie zur Unterstützung seiner vorne eingesetzten Kompanien und auch die Regimentsartillerie konnte nicht direkt auf diese Strandabschnitte wirken. Am Morgen des 25. April begann die 29. britische Division unter General Hunter-Weston nach starkem Artilleriebeschuss bei Tageslicht den Angriff auf Kap Tepe und Seddil Bahr. Am Strandabschnitt „Y“ an der linken Flanke der 29. Division mussten die rund 2 000 Mann der King’s Own Scottish Borderers, eine Kompanie des 2. Bataillons der South Wales Borderers sowie des Plymouth Bataillons of Marines im Nordbereich im felsigen Gelände mit einem nur sehr schmalen Strandabschnitt anlanden. Der Kommandeur des Infanterieregimentes 26 hatte hier keinen Angriff vermutet und sah daher nur sehr schwache Kräfte des 2. und 4. Bataillons zur Verteidigung vor[vii]. Die britischen Truppen konnten hier nahezu unbehelligt gegen 5.45 Uhr morgens landen und bereits gegen 6.00 Uhr zwei kompaniestarke Aufklärungsabteilungen ins Landesinnere in Marsch setzen, die nach britischen Aufzeichnungen angeblich sogar bis in den Ort Kirthe vorstoßen konnten. Warum sie dort jedoch weder mit den türkischen Soldaten des Stabes des Infanterieregimentes 26 oder des dort als Regimentsreserve liegenden 2. Bataillons zusammentrafen, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Doch die alliierten Truppen in diesem Abschnitt hatten keine weiteren Befehle, zogen sich wieder an den Strand zurück und warteten weitere Weisungen ab. In Untätigkeit verharrend begann man erst gegen 15.00 Uhr, die Verteidigungsstellungen auszubauen und war damit beim Gegenangriff durch das 3. Bataillon des türkischen Regimentes 25 gegen 17.30 Uhr nachmittags noch kaum vorbereitet. An dem Landungsabschnitt, an dem es ursprünglich die geringsten Opfer gab und von dem man den weitesten Vorstoß in das Landesinnere während der gesamten Operation unternehmen konnte, entbrannten nun schwere Kämpfe und die alliierte Seite erlitt hohe Verluste. Es kam zu Nahkämpfen und die alliierten Truppen wurden immer weiter gegen den Strand zurückgedrängt. Im Kriegstagebuch der Scottish Borderers wurde die Situation wie folgt beschrieben: „Etliche Male kam der Feind bis auf zehn Yards an unsere Stellungen heran [...] Der Feind kam so nah an unsere Linien heran, dass an einer Stelle ein deutscher Offizier bis an den Schützengraben heranlief und sagte: ‚Ihr Engländer gebt auf, wir sind zehn zu eins.’ Daraufhin wurde er mit einem Spaten am Kopf getroffen.“[viii] Am Strandabschnitt „X“, an dem ebenfalls nur schwache Kräfte des 2. Bataillons verteidigten, landeten gegen 6.30 Uhr nahezu unbehindert zwei Kompanien der Royal Fusiliers, denen die Gruppe von nur zwölf türkischen Soldaten kaum Widerstand leisten konnte. Die gelandeten Teile hatten allerdings keinen weiteren Auftrag, in die Tiefe vorzustoßen oder selbständig den Kontakt zu den flankierend eingesetzten Truppen zu suchen. Man war lediglich darauf eingestellt, von dort als Divisionsreserve die linke Flanke des Strandabschnitts „W“ zu schützen. Die beiden Kompanien wurden am 26. April durch den Gegenangriff des Regimentes 25 fast wieder zurückgeworfen. Allerdings wurden am gleichen Tag noch das 1. Bataillon des Border Regimentes und das 1. Bataillon der Royal Inniskilling Fusiliers zur Verstärkung angelandet, damit konnte dieser Abschnitt – wenn auch unter starken Verlusten – gehalten werden.Der Strandabschnitt „W“ auf der südwestlichen Seite von Kap Helles war etwa 350 Meter lang und an der tiefsten Stelle 40 Meter breit. Der Strand war vermint und mit ausgedehnten Drahthindernissen bewehrt. Der einzige Durchgang war ein Bachlauf, der leicht zu verteidigen war. In diesem Bereich war auf türkischer Seite die 12. Kompanie des 3. Bataillons eingesetzt. Die türkischen Stellungen und Verteidigungsanlagen waren durch die Artillerievorbereitung nicht wie erhofft zerstört worden. Die Soldaten hielten Feuerdisziplin. Erst, als das führende Boot der Lancashire Fusiliers den Strand erreichte, gerieten die Angreifer vor allem unter flankierendes Feuer von beiden Hängen. Die meisten Männer der Fusiliers erreichten nicht einmal eine kleine Bodenwelle am Ende des Strandes, die Schutz geboten hätte. Viele wurden schon in den Booten verwundet oder getötet. Doch letztlich konnten die Lancashire Fusiliers hier Fuß fassen, aber die türkische Kompanie hatte den rund 950 Angreifern 533 Mann Verluste zugefügt und ein ganzes Bataillon aufgerieben. Für die Leistungen in den Kämpfen an diesem Strandabschnitt wurden dem Bataillon der Lancashire Fusiliers sechs Victoria Crosses (V.C.)[ix] verliehen. Der Strandabschnitt „V“ war ungefähr 300 Meter lang und wurde zur Linken durch Kap Helles und zur Rechten durch die alte byzantinische Festung Seddil Bahr begrenzt. Direkt voraus lag die Höhe 141 und links die Höhe 138 als beherrschende Geländepnkte und zu nehmende Zwischenziele. Der Strandabschnitt wurde durch die 10. Kompanie des 3. Bataillons mit Unterstützung eines flankierend eingesetzten Maschinengewehrzugs verteidigt. Als erstes ging das 1. Bataillon der Royal Dublin Fusiliers mit Hilfe von Schleppzügen – mit Tauen verbundene Ruderboote, die von Motorpinassen gezogen wurden – an Land. Ein Großteil der Truppe befand sich jedoch an Bord der River Clyde, ein umgestalteter 4 000-Tonnen-Kohlentender, in den oberhalb der Wasserlinie Ausstiegstore eingebaut worden waren. Durch diese sollten die ca. 2 000 Soldaten des 1. Bataillons, der zwei Kompanien des 2. Bataillons der Royal Munster Fusiliers, des Hampshire-Regiments der 88. Brigade und einer Kompanie der Royal Dublin Fusiliers das auf den Strand gesetzte Schiff verlassen und über Laufstege und zusammengebundene Lastkähne das Ufer erreichen. Die Schleppkähne der Dubliners starteten um 6.00 Uhr. Nach dem vorangegangenen Bombardement war am Ufer nun alles still und die Dublin Fusiliers glaubten zunächst auf keinen nennenswerten Widerstand zu stoßen. Als sich aber die Boote dem Strand näherten, eröffneten die türkischen Soldaten ein vernichtendes Feuer auf die anlandenden Truppen. Von den 700 Männern erreichten nur 300 den Strand, viele von ihnen waren schwer verwundet. Sie suchten Schutz hinter Sandhügeln und unter überhängenden Uferabschnitten. Die River Clyde folgte dicht hinter dieser ersten Welle und lief aus voller Fahrt auf das Ufer auf. Zwei Kompanien der Munster Fusiliers verließen nun den Transporter und versuchten, so den Strand zu erreichen, fielen aber im Feuer der Maschinengewehre. Ihre Verluste betrugen über 70 Prozent. Gegen 9.00 Uhr unternahm eine andere Kompanie einen neuen Versuch, scheiterte aber ebenfalls. Der Kommandeur der angreifenden 29. Division, Generalmajor Aylmer Hunter-Weston an Bord der EURYALUS, blieb jedoch blind gegenüber der dramatischen Entwicklung am Strandabschnitt „V“. Um 8.30 Uhr befahl er dem Hauptkontingent, mit der Landung zu beginnen. Um 9.30 ließ er dazu die Vorhut Verbindung mit dem Strandabschnitt „W“ aufnehmen. Zu diesem Zweck verließ in einem dritten Anlauf eine Kompanie des Hampshire-Regiments die River Clyde, die aber ebenfalls aufgerieben wurde. Der Führer des Hauptkontingents, Brigadegeneral Henry Edward Napier, Kommandeur der 88. Brigade, wurde bei dem Versuch getötet, seine Truppen an Land zu führen. Um 10.21 Uhr schließlich befahl Generalleutnant Hamilton, der das Geschehen von Bord der QUEEN ELIZABETH verfolgte, die als Flaggschiff und Gefechtsstand diente, Hunter-Weston, das Unternehmen abzubrechen. Die Frage, ob die für die den „V“-Abschnitt vorgesehene Divisionsreserve, das Worcestershire Regiment, möglicherweise am Strandabschnitt„Y“ angelandet werden sollte, wurde stundenlang aufgeschoben. Schließlich wurden diese Truppen am ebenfalls noch stark umkämpften „W“-Abschnitt gelandet, was dort zu weiterer Verwirrung führte.Die an Bord der River Clyde verbliebenen 1000 Mann warteten die Nacht ab, bevor sie einen erneuten Versuch unternahmen, den Strand zu erreichen. Die zwei Bataillone, die an Abschnitt „V“ gelandet waren – die Royal Dublin Fusiliers und die Royal Munster Fusiliers – waren so stark dezimiert, dass sie später zu einem gemischten Bataillon, bekannt als „Dubsters“, zusammengelegt wurden. Von den 1 100 Royal Dublin Fusiliers überstanden nur elf die Kämpfe bei Gallipoli unversehrt. Im Bereich „S“, der Morto-Bucht im Osten des Verteidigungsabschnittes des 26. Bataillons landeten dagegen drei Kompanien der South Wales Borderers ohne große Verluste und hatten diesen Bereich rasch unter Kontrolle. Es konnte sogar der Höhenrand von Eski Hissarlik genommen und gegen die sofort einsetzenden türkische Gegenangriffe gehalten werden.Gegen all diese Landungen waren zunächst nur die Kräfte des 3. Bataillons unter Führung von Major Mahmut verfügbar. Die Hauptlast der Verteidigung lag bei der 12. Kompanie im „W“ Abschnitt und der 10. Kompanie im „V“ Abschnitt. Trotz der erfolgreichen Verteidigung musste Mahmut die 12. Kompanie zurücknehmen, die unter dem Druck der gelandeten Kräfte einzubrechen drohte. Seine Bataillonsreserve hatte er bereits nördlich Kaba Tepe im „X“ Abschnitt und bei Seddil Bahr im „V“ Abschnitt einsetzen müssen. Im „V“ Abschnitt war bereits am Morgen der Kompaniechef der 10. Kompanie gefallen. Feldwebel Yahya hatte dort das Kommando über die verbliebenen 62 Männer übernommen und gegen sechs feindliche Bataillone gekämpft und gehalten. Heute erinnert noch ein Gedenkstein daran, auf dem es übersetzt heißt: „Feldwebel Yahya und ein heldenhafter Zug kämpften mit all ihren Herzen gegen drei Regimenter. Der Feind dachte diese wunderbaren Männer wären eine Division. Sie dienten Gott und waren bei ihm am Abend.“ Der Kampf ging nun vor allem um den Besitz der Höhe 138, die schließlich gegen 15 Uhr von britischen Truppen genommen wurde. Mahmut hatte schon bald nach dem Angriff morgens bei der 9. Division um Verstärkung gerufen, aber die ersten beiden Bataillone des Regimentes 25 unter Führung von Oberstleutnant Nail Bey und Teilen des Feldartillerie-Regimentes 9 erreichten erst gegen 21.00 Uhr die Südspitze der Halbinsel. Das Bataillon von Major Mahmut war zu diesem Zeitpunkt nahezu vollständig aufgerieben worden, hatte aber bis dahin gegen den weit überlegenen Feind erfolgreich gehalten. Insgesamt waren am 25. April an der Südspitze Gallipolis von 9 000 angelandeten alliierten Soldaten 3 000 gefallen oder verwundet worden.(Karte 6: Landung des 6. (FR) Regiments und Verteidigung der 3. Division)Auf dem asiatischen Ufer führte Generalmajor Weber das Oberkommando der Verteidigung. Hier waren rund 3 000 Soldaten des 6. französischen Colonial-Regiments bei Kumkale nach intensiver Feuervorbereitung, die um 5.45 Uhr eingesetzt hatte, gegen 10.00 Uhr gelandet. Das war deutlich später als geplant – vermutlich hatte die starke Strömung in den Dardanellen das Unternehmen verzögert. Der Angriff war offensichtlich nur als Täuschungsmanöver gedacht und sollte die türkischen Kräfte möglichst lange auf der asiatischen Seite binden. Der Ort Kumkale selbst war nur durch einen Infanteriezug der 3. Division verteidigt worden. Auch waren am Ufer keine Hindernisse angelegt worden, da die Verteidigung in der Tiefe an der Brücke über den Menderes und entlang des Flusses geführt werden sollte. Das Feuer der Schiffsartillerie und die anlandenden französischen Truppen, überwiegend Sengalesen und Fremdenlegionäre, konnten den Infanteriezug von Leutnant Ali Effendi in Kumkale rasch überwältigen und den Ort gegen 11.15 Uhr mit zwei Kompanien und unter nur geringen eigenen Verlusten nehmen.Währenddessen war das zur unmittelbaren Feuerunterstützung eingesetzte Schlachtschiff HENRY IV in die Dardanellen eingelaufen und konnte das Feuer gegen die verteidigende 3. Division verstärken. Da das Ufer hier nur wenig höher als die Wasserlinie war, konnte die Schiffsartillerie weit in das Land hinein beobachten und wirken. Die Schiffsgechütze zerstörten die Brücke über den Menderes, was dazu führte, dass die nun aus Kumkale nachrückenden französischen Truppen nicht weiter nach Osten, sondern nur gen Süden marschieren konnten. Dort nahmen sie den durch Artillerie zerstörten und brennenden Ort Jenişehir ein. Bis 17.30 Uhr war auch das letzte Bataillon zusammen mit der Artillerie angelandet worden. Man richtete sich in Kumkale und Jenişehir nun zur Verteidigung des Landungskopfes ein.Oberstleutnant Wehrle hatte mittlerweile seine beste Haubitzbatterie unter Hauptmann Ali Tewik Effendi mit 200 Schuß in Marsch gesetzt. Sie ging ostwärts des Menderes in Stellung und wirkte sehr effektiv gegen die noch bei Kumkale bereitstehenden französischen Truppen. Oberst Nicolai, Kommandeur der 3. Division, ließ noch in der Nacht Teile des Regimentes 31 gegen Kumkale umfassend von Süden über die dort noch intakte Menderes-Brücke antreten, während Kräfte des gleichen Regimentes zunächst die Verteidigung ostwärts des Menderes vorbereiteten. Das Regiment 39 griff die Franzosen bei Jenişehir an. Die Angriffe gegen Kumkale konnten am Ostrand von den französischen Truppen abgewehrt werden, während Jenişehir wieder in türkischen Besitz kam. (Karte 7: Lage bei Ariburnu 25. April 1915 gegen 08.00) Die Landungen des ANZAC bei Ariburnu begannen am frühen Morgen des 25. April gegen 4.15 Uhr ohne jegliche Artillerievorbereitung, um den Überraschungseffekt zu verstärken. In diesem Abschnitt sicherte das 2. Bataillon des Infanterie-Regimentes 27 unter der Führung von Major Izmet. Das Regiment 27 stand unter der Führung von Oberstleutnant Şefik Aker. Es war, bis auf sein für die Sicherung des Ariburnu-Abschnittes gebundenes 2. Bataillon, als Divisionsreserve vorgesehen und lag mit zwei weiteren Bataillonen im Bereich von Maidos in Bereitschaft[x]. Die Verteidigungsplanung für den gesamten Ariburnu-Abschnitt beschrieb der Kommandeur des 3. Bataillons des 27. Regimentes, Major Halil Bey, wie folgt: „2. Bataillon: verteidigt in Ariburnu und den Kaba Tepe Bereich. 7. Kompanie des 3. Battaillons, 9. Gebirgsartillerieregiment mit einer halben Maschinengewehrkompanie in Stellung auf den Höhen hinter Ariburnu und vom 3. Bataillon und von der Ariburnu Kompanie und bei Kaba Tepe werden Feldgeschütze unter dem Kommando des Kommandeurs des 2. Bataillons geführt. Die halbe Maschinengewehrkompanie wählt ihre Stellung so, dass der nördliche Strand des Ariburnu-Kaba Tepe Bereiches unter Feuer genommen werden kann.“[xi] Hauptmann Faik, Kompaniechef der 4. Kompanie, beobachtete am Morgen des 25. Aprils die sich nähernde feindliche Flotte als Silhouette in der Dämmerung. Er informierte seinen Bataillonskommandeur und begab sich zu einem noch günstigeren Beobachtungspunkt. „Dieses Mal sah ich eine noch größere Menge, die meiner Meinung direkt auf uns zu kamen. Wie befohlen informierte ich das Divisionshauptquartier mittels Telefon. Es war gegen 2.30. Ich kam zu Leutnant Nuri Effendi durch [...] und meldete es. ‚Halte die Stellung’, antwortete er, ‚ich werde den Chef des Stabes informieren.’ Nach einer Weile kam er wieder an den Apparat und sagte: ‚Wie viele davon sind Kriegsschiffe und wie viele sind Transporter?’ ‚Es ist unmöglich festzustellen in der Dunkelheit’, antwortete ich, ‚aber es sind sehr viele.’ Das beendete die Konversation. Kurze Zeit später versank der Mond am Horizont und die Schiffe waren nun gänzlich unsichtbar. Wir alarmierten den Reservezug und befahlen sich bereitzuhalten. Ich schaute und wartete.“[xii]Die 1. Australische Division sollte mit den südlichsten Teilen ca. 1,5 km nördlich Kaba Tepe in drei Wellen landen. Es ist heute nicht mehr genau zu ergründen, warum die Landung weiter im Norden am Strandabschnitt bei Ariburnu, der heutigen ANZAC-Bucht, und nicht - wie ursprünglich geplant - bei Kaba Tepe erfolgte. War es eine kurzfristige Änderung des Planes oder ein Navigationsfehler – auf jeden Fall merkten die Truppen erst an Land, dass man offensichtlich nicht genau an der beabsichtigten Stelle gelandet war, sondern ausgerechnet dort, wo nun die steilsten Hänge und Schluchten der gesamten Halbinsel zu überwinden waren. Andererseits befand man sich hier auf einem Strandabschnitt, der wesentlich besser gegen direkten Artilleriebeschuß geschützt war und an dem deutlich schwächere Vorbereitungen zur Verteidigung getroffen worden waren. Des weiteren war von hier aus der Weg auf das erste Angriffsobjekt, der Kocaçimen Tepe, über einen Kilometer kürzer und erforderte kaum eine Querbewegung zu den verteidigenden Türken. All diese Punkte könnten den Schluss zulassen, dass man kurzfristig die Landungsstelle geändert hatte, dieses aber nicht bis auf Brigadeebene weitergegeben hatte. Aus meiner Sicht hatte also die unerwartetete Landungsstelle – ausser, dass sie für die Truppen zunächst verwirrend war – taktisch eher Vorteile für das angreifende ANZAC. Wenn sie wirklich so verkehrt gewesen wäre, hätten zumindest die folgenden Landungen an der ursprünglich vorgesehenen Stelle stattfinden können, was aber auch nicht geschah - obwohl man längst das angebliche Versehen realisiert haben musste.Um 4.20 Uhr sendete Oberleutnant Asim von der 3. Kompanie des 2. Bataillons, das in der Nacht zuvor noch eine Nachtübung mit dem gesamten Regiment 27 durchgeführt hatte, die entscheidende Nachricht zum Divisionshauptquartier: „Der Feind hat seinen Angriff bei Ariburnu begonnen.“ Aufgrund der bereits erhaltenden Meldungen wurde ein ernsthafter Angriff angenommen, der eine sofortige Verstärkung erforderte. Dazu wurden die nach der Übung wieder in den Raum Maidos zurückgekehrten Teile des Regimentes 27 alarmiert und sofort in Marsch gesetzt. Hauptmann Faik nahm derweil mit seiner 4. Kompanie den Kampf auf: „Ich sah ein Maschinengewehr, das von einem Boot vor Ariburnu schoss. Einige Schüsse gingen über uns hinweg. Ich befahl den Zug zurück in die Schützengräben auf den Höhenrücken, der Ariburnu überragte und sendete zwei Gruppen unter Feldwebel Ahmet zu den Gräben auf dem mittleren Höhenrücken, von welchem man den Strand überblicken konnte. Ich befahl den Rückzug per Telefon und begab mich an die Flanke mit dem Reservezug.“[xiii] Die rund 1 500 Männer des 9., 10., 11. und 12. australischen Bataillons der 3. australischen Brigade griffen sofort nach der Landung und trotz der Verwirrung um die unerwartete Landungsstelle in kleinen Gruppen, aber ungeordnet und unkoordiniert, gegen die Höhen an. Die Einheiten vermischten sich, weshalb keine einheitliche Führung erfolgte. Die Alliierten gewannen nur langsam Raum, nahmen aber die ersten Höhen gegen den Widerstand der Einheiten des Regimentes 27, das unter dem feindlichen Druck weiter auf die Höhen auswich. Im nördlichen Bereich waren die Höhen noch im Besitz des 2. Bataillons des Regiments 27, das von dort weiterhin flankierend auf die bei Ariburnu landenden Truppen wirken konnte. Genauso konnten sich die türkischen Truppen im Süden bei Kaba Tepe in den ausgebauten Stellungen behaupten und von dort auch flankierend gegen die 3. australische Brigade wirken. Nachdem das 3. Bataillon des 27. Regiments eingetroffen war und an den Höhen hinter Kaba Tepe die erste Feldhaubitzbatterie in Stellung gebracht worden war, konnte nun die Landungsstelle bei Ariburnu mit Schrapnellmunition unter Feuer genommen werden. Unter dem Beschuss der Verteidiger gerieten nun zusätzlich die 1. und die 2. australische Brigade, die als Hauptkräfte der 1. australischen Division mit rund 2 500 weiteren Soldaten auf diesem schmalen Streifen anlandeten.Die Verluste des ANZAC waren hoch und mit den Booten, die neue Truppen brachten, wurden die Verwundeten, wenn immer möglich, wieder auf die Kriegsschiffe verbracht. Gegen 6.00 Uhr morgens waren bei Ariburnu rund 4 000 Soldaten gelandet und standen den nur wenigen hundert türkischen Soldaten des 2. und des 3. Bataillons vom 27. Regiment gegenüber. Die in der Unterzahl verbliebenen Verteidiger mussten nun, so das operative Konzept Liman von Sanders, so lange halten, bis Verstärkungen aus der Tiefe herangeführt worden waren.Der Kommandeur der 3. australischen Brigade, Oberst Ewen Sinclair-MacLagan, der erst mit der zweiten Welle gelandet war, begann nun, die Truppen zu ordnen. Dieses war jedoch kaum möglich, da immer mehr kleine Gruppen selbstständig und wenig koordiniert versuchten, die türkischen Stellungen im Norden und die Artilleriestellung bei Kaba Tepe auszuschalten oder weiter nach Osten gegen die Höhen anzugreifen. Die Teile des Regimentes 27 waren bis auf die zweite Höhenlinie ausgewichen und legten sich dort wieder vor. Während Oberst Sinclair nun den Angriff zunächst koordiniert im Südbereich und gegen den zweiten Höhenrücken konzentrieren wollte, wusste er nicht, dass einzelne Stoßtrupps bereits den dritten Höhenrücken, den später so genannten „Kemalyeri“[xiv], erreicht hatten und weiter ostwärts vorgedrungen waren, als es später in den kommenden Monaten anderen alliierten Truppen jemals gelingen sollte. Dort wurden sie jedoch gegen 9.30 Uhr von sich nähernden türkischen Truppen entdeckt und sofort angegriffen. Die australischen Truppen wichen zur Höhe 400 aus und verteidigten sich dort gegen die nachdrängenden türkischen Truppenteile. Dass sich die australischen Kräfte in dieser Phase gegen die Bedrohung der rechten Flanke, also gegen Kaba Tepe, konzentrierten, von wo aus weitere türkische Kräfte vermutet wurden, änderte den eigentlichen Schwerpunkt des Angriffs, der eigentlich gegen den Kocaçimen Tepe geplant war.Der Einsatz der 2. australischen Bridage, die eigentlich im Schwerpunkt links weiter auf den Kocaçimen Tepe angreifen sollte und nun zum Schutz der eigenen rechten Flanke eingesetzt war, entzog dem Angriff weiter Schwung und Kraft. Die als Divisionsreserve vorgesehene 1. Brigade verblieb zunächst weiter am Strand. Um 8.39 Uhr meldete General Birdwood, dass die Höhe 400 genommen sei, drei Krupp Kanonen erobert worden waren und nun 8 000 Männer gelandet wären. Währenddessen meldete Major Halil, dessen Kräfte des 3. Bataillons mit der Verteidigung gegen die Australier völlig überfordert waren, an den Kommander der 9. Division: „Der Feind befindet sich augenblicklich im Angriff auf die Höhen hinter Kaba Tepe. Wir haben keine Reserven mehr. Es scheint, dass unsere Reservekräfte entlang der gesamten Frontlinie von Kojadere in alle Richtungen zum Kocaçimendağ und Kaba Tepe verteilt sind.”[xv] Major Halil’s Verbindung zum Kommandeur des Regimentes 27, Oberstleutnant Şefik Bey, war immer noch unterbrochen. Dennoch erhielt er nun weitere Unterstützung durch die eigene Artillerie, die vermehrt mit Schrapnellmunition gegen die durch die Täler angreifenden Australier wirkte. Die australische Artillerieunterstützung war dagegen nur spärlich, da die wenigen Gschütze nicht schnell genug vom Strand in günstige Stellungen gebracht werden konnten. Die Schiffsartillerie konnte auch nicht wirksam eingreifen, da sich die Truppen beider Seiten zu nah gegenüberstanden und für den Kampf gegen die Reserven in der Tiefe keine Beobachtungsergebnisse vorlagen. Gegen 8.00 Uhr trafen die ersten türkischen Reserven ein – sowohl aus den Lagern südlich von Kaba Tepe, als auch vom Regiment 27, das bereits um 4.30 Uhr alarmiert und in Marsch gesetzt worden war. General von Sanders Operationsplan schien, obwohl er risiko- und verlustreich war, aufgegangen zu sein. Das Regiment 27 verteidigte weiter aus den Stellungen aus der zweiten und dritten Höhenlinie mit drei Maschinengewehren zur Unterstützung und setzte immer wieder zu örtlichen Gegenstößen an. Obwohl diese Truppen durch die vorausgegangene Nachtübung und die stundenlange Verteidigung völlig erschöpft waren, konnten sie bis zum Eintreffen der Verstärkungen halten. Gegen 8.30 Uhr beobachteten Teile der 2. australischen Brigade die Annäherung weiterer türkischer Kräfte aus Süden und unterhalb des Kocaçimen Tepe. Damit war die Gelegenheit für einen Überraschungsangriff gegen unterlegene Kräfte vertan und der Wendepunkt für den Kampf bei Ariburnu erreicht. Die nun eintreffenden Truppenteile kamen von der 19. Division unter dem Kommando von Oberstleutnant Mustafa Kemal. Er war früh morgens durch den Geschützlärm geweckt worden und schrieb über diesen Moment: „Ich sprach am Telefon mit Essad Pasa, bei Gallipoli. Er sagte, dass er keine genauen Informationen hat was vor sich ging oder geschehen ist. Es war gegen 06.30, als ich von Halil Sami Bey erfahren hatte, dass feindliche Kräfte die Höhen von Ariburnu hinaufgestiegen waren und mir befohlen wurde, mit einem Bataillon gegen sie anzugreifen. Sowohl von diesem Bericht als auch als Ergebnis meiner persönlichen Beobachtungen, die ich bei Mal Tepe gemacht hatte, war meine feste Überzeugung, wie ich auch bereits früher beurteilt hatte, dass die feindliche Absicht, mit starken Kräften in der Gegend um Kaba Tepe zu landen, nun stattfand. Daher hielt ich es für unmöglich, den Auftrag nur mit einem Bataillon auszuführen, sondern würde dafür, wie ich es schon vorher beurteilt hatte, meine gesamte Division benötigen, um mit diesem Feind fertig zu werden.“[xvi] Mit zwei Dritteln seiner gesamten Division, den Regimentern 57 und 77 sowie einer Gebirgsartilleriebatterie, marschierte Kemal in Richtung Kocaçimen Tepe und die Höhe, die später nach ihm „Kemalyeri“ benannt wurde. Sein Regiment 72, das überwiegend aus Arabern bestand, hielt er zunächst als Reserve zurück, auch weil er diesem Truppenteil nicht uneingeschränkt vertraute. Nachdem seine Truppen gegen 9.00 Uhr ostwärts der Höhe 700 („Baby 700”) angekommen waren, klärte er mit einigen Offizieren weiter nach Westen auf. Als er dort einige ausweichende Soldaten des Regimentes 27 traf, befahl er diesen, wieder in Stellung zu gehen und wenn nötig mit Bajonetten gegen den nachdrängenden Feind zu kämpfen. Er liess sofort sein Regiment 57 nachziehen, das dann gegen 10.00 Uhr die australischen Truppen angriff. Die umkämpfte Höhe 700 blieb das Schlüsselgelände für die folgenden Stunden und Tage. Sie war das zwingende Zwischenziel der Alliierten auf dem Weg zur Kocaçimen Tepe, aber auch der nordostwärtige Angelpunkt der Verteidigung. Die Höhe 700 wechselte an diesem ersten Tag fünfmal den Besitzer. Kemal warf alle Reserven in das Gefecht und gab hier vermutlich den berühmten Befehl: „Ich befehle euch nicht anzugreifen, ich befehle euch zu sterben.” Die Kompanien des Regimentes 57 wurden in diesen Gegenangriffen fast vollständig aufgerieben. Major Zeki Bey vom Stab dieses Regimentes meldete, dass das 2. Bataillon nach einem Angriff an den Hängen bei „Fisherman’s Hut” westlich „The Nek” nahezu aufgehört hatte, zu existieren. Später wurde das Regiment 57 wieder mit Soldaten aus dem Regimentes 72 aufgefrischt. Um 10.15 Uhr wurden die türkischen Gegenangriffe so heftig, dass an das ANZAC-Hauptquartier gemeldet wurde, dass „Russel’s Top“ nicht mehr zu halten wäre, worauf die gesamte Reserve, die 1. Brigade, an die nördliche Front zur Verstärkung geschickt wurde. Eine mühsam auf das 400 Plateau gebrachte Batterie der Indian Mountain Artillery wurde nachmittags wieder abgezogen, da sie unter heftiges türkisches Feuer geraten war. Die Türken beherrschten die Höhen, hatten die artilleristische Überlegenheit und unternahmen mit den immer weiter eintreffenden Verstärkungen Gegenstöße auf die australischen Linien. Aber es gab auch Koordinierungsprobleme auf türkischer Seite. Das Regiment 77, ebenfalls überwiegend aus kaum türkisch sprechenden Arabern bestehend, deren Kampfweise nicht leicht zu kontrollieren war, war zwischen dem Regiment 57, das im Norden kämpfte, und dem Regiment 27 im Süden eingesetzt. Das wussten aber die beiden außen eingesetzten Regimenter nicht. Als dieses Regiment 77 unter schweres australisches Maschinengewehrfeuer geriet, wich es aus und riss dabei gleichzeitig Teile des Regimentes 27 mit, was für eine geraume Zeit den Bereich „Lone Pine“ unverteidigt ließ. Die erschöpften ANZAC-Soldaten stiessen jedoch nicht nach und konnten damit keinen Vorteil aus dieser Lage ziehen.Die Kämpfe an diesem Tag hatten auf beiden Seiten auch an diesem Frontabschnitt zu großen Verlusten geführt. Aber ihrer großen zahlenmäßigen Überlegenheit – rund 13 000 bis zum Nachmittag gelandete alliierte Soldaten kämpften gegen nur insgesamt 8 000 verteidigende Türken – konnten die Angreifer kaum nennenswerte Geländegewinne erreichen.Auf Seiten der Flotte und des Sonderkommandos wurde am 25. April ebenfalls umgehend gehandelt. Admiral von Usedom, der sich zur Zeit in Istanbul aufhielt, verlegte sofort wieder an die Dardanellen.
General Liman von Sanders war selbst den ganzen Tag immer noch auf den Höhen von Bulair geblieben, kam aber mehr und mehr zu der Auffassung, dass es sich in Bulair doch nur um einen Täuschungsangriff handeln könnte. Als der Gegner dort bis zum Abend nicht mit den Landungen begonnen hatte, Essad Paşa dagegen dringend Verstärkungen für seine in schweren Kämpfen stehenden Truppen im Südteil der Halbinsel anforderte, war von Sanders nun endlich davon überzeugt, zumindest Teile der bei Bulair bereitgehaltenen Divisionen abgeben zu können. Er selbst blieb aber auch nach Einbruch der Dunkelheit noch auf den Höhen von Bulair.Für von Sanders stellte sich die Gesamtlage am Abend des 25. Aprils wie folgt dar: Im Süden, auf der asiatischen Seite, meldete die 11. Division eine große Ansammlung feindlicher Kampf- und Transportschiffe in und vor der Großen und Kleinen Besikabucht und damit eine drohende Landung. Erste Landungen waren aber abgewiesen worden. Etwas weiter nördlich, bei Kumkale, standen die Teile der 3. Division im Kampf mit französischen Truppen, welche dort unter massiver Unterstützung durch Schiffsartillerie angelandet worden waren. An der Südspitze der Halbinsel Gallipoli, nämlich bei Seddil Bahr, Teke Burnu, an der Sigindere Mündung und in der Mortobucht, kämpften starke englische Kräfte gegen schwache Teile der 9. Division – bislang lediglich Teile des Regimentes 26 – weiter um die Landungsköpfe. Das gesamte Gebiet lag unter starkem Feuer englischer Schiffsartillerie, aber die türkische Verteidigung schien noch zu halten. Bei Kaba Tepe und bei Ariburnu wurden von englischen Transportern und Kriegsschiffen Truppen ausgeschifft und waren gegen das Höhengelände angetreten. Auch hier schien die Verteidigung zu halten. Im Oberen Sarosgolf belegten mehrere Kriegsschiffe die Küste und die befestigten Höhen mit Artilleriefeuer. Etliche große Schiffe, möglicherweise mit Truppen an Bord, lagen weiter zurück. Anzeichen zum Ausschiffen waren zunächst nicht erkennbar. Somit waren an mehreren Stellen Landungen bzw. Landungsvorbereitungen gemeldet worden, so dass der Schwerpunkt für von Sanders immer noch nicht klar erkennbar war. Das Ziel, den Feind wieder ins Meer zu werfen, bevor er sich festgesetzt hatte, war allerdings an keiner Stelle erreicht worden.Die unmittelbare erfolgreiche Verteidigung der Halbinsel Gallipoli am 25. April war aus meiner Bewertung trotz mancher Unzulänglichkeit auf Seiten der angreifenden alliierten Truppen bzw. deren Führung fast ausschließlich den herausragend und tapfer kämpfenden türkischen Truppen an allen drei Landungsabschnitten zuzuschreiben. Auch wenn der Operationsplan von General von Sanders erfolgreich ausgeführt werden konnte, war dieser zu lange auf die Landung bei Bulair fixiert. Schon gegen Mittag des 25. Aprils hätte er erkennen können, dass Hamilton den Schwerpunkt in den Süden gelegt hatte. Somit war unnötig Zeit verstrichen, um den Schwerpunkt der Verteidigung entsprechend festzulegen und die eigenen Truppen zu konzentrieren. Die erfolgreiche Verteidigungsleistung des ersten Tages kann keinem einzelnen Führer zugesprochen werden. Wenn überhaupt, liegt der wesentliche Anteil an diesem Erfolg bei der überragenden Leistung in der Verteidigung im Süden der Halbinsel bei Kap Helles durch das 3. Bataillon des Regiment 26 unter Major Mahmut sowie bei den Männern des Regimentes 27 unter Oberstleutnant Şefik Bey, die im Bereich Ariburnu gegen einen weit überlegenen Angreifer solange verteidigten, bis Verstärkungen herangeführt werden konnten. Mustafa Kemal, der auch gegen den ausdrücklichen Armeebefehl seine ganze Division einsetzte und bei Gegenangriffen nahezu sein komplettes Regiment 57 aufrieb, wollte jedoch den Erfolg dieses Tages für sich beanspruchen. Er scheute sich nicht davor, auch den Beitrag seiner türkischen Kameraden zu schmälern. Da er von dem Gedanken, die Angreifer aus ihren Stellungen zu vertreiben, bevor sie sich dort festgesetzt hatten, wie besessen war, befahl er seiner ihm ergebenen, aber völlig erschöpften Infanterie immer wieder verzweifelte Angriffe: „Es wird keinen Schritt zurückgewichen. Es ist Eure Pflicht, Euer Land zu retten und wir müssen uns ehrenhaft und mutig verhalten.“ [xix] An Essad Paşa berichtete er, dass die taktische Situation gut wäre, der wichtigste Faktor aber sei, „dass sich jeder auf den Feind werfen müsste um zu töten und zu sterben. Dies ist kein normaler Angriff.“ [xx] Somit schickte Mustafa Kemal weiterhin seine Truppen in kleinen Gruppen an verschiedenen Stellen ins Gefecht, ohne jedoch dafür einen zusammenhängenden Plan zu haben und anstatt seine Kräfte an einer Stelle zu konzentrieren und damit die ANZAC-Linie durchbrechen zu können. Er schrieb darüber: „Ich bestand auf der Idee des Angriffs mit der größtmöglichen Kraft und Heftigkeit und ich war sicher, dass ein solcher Angriff mit den in das Gefecht geworfenen Reserven und Unterstützungskräften entscheidend sein würde.“ Robert Rhodes James urteilte darüber folgendes: „Wenn man es Kemal überlassen hätte, hätte wohl kaum ein türkischer Soldat im ANZAC Gebiet überlebt.“[xxi] Weiter schrieb Mustafa Kemal über die Kämpfe vom 25. April am 3. Mai direkt an Enver Paşa – und damit seinen Korpskommandeur Essad und den Befehlshaber der 5. Armee, von Sanders, übergehend – folgendes: „Ich habe Ihnen bereits früher die besondere Bedeutung dieses Sektors im Vergleich zu den anderen erklärt. Die Maßnahmen, die ich als Befehlshaber im Maidosgebiet ergriffen hatte, hätten den Feind an der Landung hindern können. Aber Liman von Sanders Paşa verstand weder unsere Armee noch unser Land und hatte auch nicht die Zeit, die Lage eingehend zu studieren. Das Ergebnis war, dass die Landungsstellen vollständig unbewacht waren und die feindlichen Landungen ermöglichten. Als der Feind vier Brigaden bei Ariburnu gelandet hatte, wurde ich vom Abschnittskommandeur Oberst Sami informiert. Ich griff den Feind in der linken Flanke an und warf sie alle zurück ins Meer. Aber der Feind landete die gleiche Anzahl von Truppen an der selben Stelle und griff erneut an. Ich hatte keine Wahl gegen die überlegene Feindkräfte mit den mir zur Verfügung stehenden Verstärkungskräften zurückzuschlagen[...] Aber das Gelände und der Mangel an Fähigkeiten der mich umgebenen Führer machten es unmöglich, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. [...] Ich empfehle Ihnen dringend, sich nicht auf die geistigen Fähigkeiten der Deutschen, angeführt von Sanders, und deren Herzen und Seelen nicht so bei der Sache sind, wie wir es sind, in der Verteidigung unseres Landes zu vertrauen. Ich bin davon überzeugt, dass Sie selber hierher kommen sollten und das Kommando übernehmen, wenn es die Lage erfordert.“[xxii] Diese Aussagen stimmen im Wesentlichen nicht mit den belegten Tatsachen überein, da Mustafa Kemal mit seiner 19. Division am 25. April erst gegen 10.00 Uhr vormittags vermutlich gegen Teile der 2. und 3. australischen Brigade antrat, diese zwar immer wieder von der Höhe 700 vertreiben, aber niemals Truppen bis in das Meer zurückwerfen konnte. Die Leistungen der Regimenter 26 und 27 vermied Mustafa Kemal offensichtlich zu erwähnen, da auch er damit diesen Truppen eindeutig den Erfolg der vorderen Verteidigung hätte zukommen lassen müssen. Diesen Fakten zum Trotz wird heute die energische sofortige Verteidigung der Halbinsel Gallipoli in der Türkei nahezu ausschliesslich mit Mustafa Kemal in Verbindung gebracht, während die Verluste jedoch lediglich den Entscheidungen von General von Sanders zugeschrieben werden. Damit wird eine Verfälschung der Tatsachen hingenommen und auch in aktuellen Veröffentlichungen und bei den Gedenkstätten fortgeschrieben.
[i] Die Darstellung der gesamten Kämpfe bis einschließlich des Abzuges der alliierten Truppen wurden, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus den Aufzeichungen: Der Kampf um die Dardanellen (Reichsarchiv), Gallipoli (Kannengiesser) sowie Gallipoli (Robert Rhodes James) entnommen.
[ii] Auf englischer Seite „Achi Baba“ genannt
[iii] James, Gallipoli, S. 81 ff
[iv] BA/MA, W 10 / 51475, Aufzeichnungen Mühlmann
[v] Sanders, Fünf Jahre Türkei, S. 84
[vi] BA/MA, W 10 / 51475, Aufzeichnungen Mühlmann
[vii] James, Gallipoli, S. 101 ff
[viii] Broadbent, Gallipoli, S. 102 (Welcher deutscher Offizier hier angeblich beteiligt war, ist heute nicht mehr herauszufinden)
[ix] „Six V.C’s before breakfast“.V.C.=Victoria Cross, die höchste Tapferkeitsauszeichnung des Commonwealth
[x] Danışmann, Gallipoli 1915, S. 6[xi] Broadbent, Gallipoli, S. 43
[xii] Broadbent, Gallipoli, S. 54
[xiii] Broadbent, Gallipoli, S. 57
[xiv] Von den Türken so benannt, da sich dort ab dem 27. April der Gefechtstand von Mustafa Kemal befand.
[xv] Broadbent, Gallipoli, S. 89
[xvi] James, Gallipoli, S. 112
[xvii] Lorey, Der Krieg in den türkischen Gewässern, S. 119
[xviii] BA/MA RM 40 / 755, KTB der MMD, S. 144
[xix] James, Gallipoli, S. 166
[xx] James, Gallipoli, S. 168
[xxi] James, Gallipoli, S. 168
[xxii] Mango, Atatürk, S. 147